Pflegegrad beantragen
Um einen Anspruch auf Pflegeleistungen geltend machen zu können, benötigen Sie einen Pflegegrad. Wenn Sie eine reelle Chance sehen, diesen bewilligt zu bekommen, reicht es aus einen formlosen Antrag bei der Pflegekasse zu stellen. Darin bitten Sie darum zu prüfen, ob dem Betroffenen ein Pflegegrad zusteht. Die Pflegekasse wird Ihnen daraufhin vermutlich Informationsmaterial zukommen lassen. Einige Kassen bieten entsprechende Formulare auch online an.
Anschließend wird sich der Medizinische Dienst der Krankenkassen (MDK) mit Ihnen in Verbindung setzen, um einen Termin zur Begutachtung zu vereinbaren. Wie Sie sich auf diesen Termin gut vorbereiten können, lesen Sie hier in einem separaten Artikel. Nach dem Termin sendet der MDK das Gutachten an die Pflegekasse, die daraufhin über Ihren Antrag entscheidet.
Die Begutachtung erfolgt innerhalb eines 60-minütigen Hausbesuches mittels des Neuen Begutachtungsassessements. Ob eine realistische Chance auf einen Pflegegrad besteht, können Sie mit dem Pflegegradrechner ermitteln.
Die Entscheidung über Ihren Antrag sollte im Regelfall innerhalb von 25 Arbeitstagen getroffen werden. Wird diese Frist seitens der Pflegekasse, ohne Ihr verschulden, nicht eingehalten, ist diese verpflichtet Ihnen für jede folgende Woche 70€ zu bezahlen. Dies gilt nicht, sofern der Versicherte bereits mit mindestens Pflegegrad 2 in einer stationären Pflegeeinrichtung lebt oder die Verzögerung nicht in der Verantwortung der Pflegekasse liegt.
Haben Sie gegenüber Ihrem Arbeitgeber die Inanspruchnahme von Pflegezeit angekündigt, eine Familienpflegezeit vereinbart oder ist der Pflegegrad zur Sicherstellung der Weiterversorung notwendig, hat die Begutachtung
- bei Prüfung im Krankenhaus oder Hospiz ( inkl. ambulante Palliativversorgung) bis spätestens eine Woche nach Antragstellung zu erfolgen
- bei der Prüfung im ambulanten Umfeld innerhalb von zwei Wochen nach Antragstellung zu erfolgen.
Der MDK hat Ihnen in dem Fall unverzüglich mitzuteilen, welche Empfehlung er an die Pflegekasse weiterleiten wird.
Ist die Begutachtung nach 20 Tagen ab Antragsstellung noch nicht erfolgt, hat die Pflegekasse Ihnen drei unabhängige Gutachter mitzuteilen und Sie über die Qualifikation sowie die Unabhängigkeit zu informieren. Innerhalb einer Woche müssen Sie der Pflegekasse mitteilen, für welchen Gutachter Sie sich entschieden haben. Anderenfalls wählt die Pflegekasse jemanden aus.Mit dem Bescheid wird Ihnen automatisch das Gutachten übersandt, es sei denn Sie haben dem explizit widersprochen.1
Sollten Sie mit dem Ergebnis nicht zufrieden sein, können Sie Widerspruch einlegen.
Widerspruch einlegen
Falls Sie einen Ablehnungsbescheid erhalten haben, können Sie innerhalb von einem Monat schriftlich Widerspruch einreichen. Dies kann formlos geschehen. Es ist nicht zwingend erforderlich, Ihren Widerspruch zu begründen, aber es ist auf jeden Fall anzuraten. Die Begründung können Sie auch später separat einreichen. In dem Fall kündigen Sie in Ihrem Schreiben an, dass Sie Ihre Begründung nachreichen werden. Entscheidend ist, dass Ihr allgemeiner Widerspruch fristgerecht eingeht. Zur Absicherung sollten Sie diesen per Einschreiben mit Rückschein einsenden. Bitten Sie in Ihrem ersten Schreiben auch um die Zusendung einer Kopie des Gutachterberichtes. Auf diesem können Sie Ihre Begründung aufbauen. Wenn Sie Hilfe beim Formulieren des Widerspruchs benötigen, erhalten Sie bei den Pflegestützpunkten Hilfe vor Ort.
Kommt die Pflegekasse daraufhin zu dem Entschluss, dass eine erneute Prüfung notwendig ist, beauftragt sie erneut den MDK und lässt dem Erstgutachter eine Kopie Ihres Widerspruchsschreibens zukommen. Daraufhin schaut dieser, ob sich Faktoren geändert haben, die ein anderes Ergebnis zulassen. Kommt der Erstgutachter erneut zu dem Schluss, dass der Pflegegrad nicht gerechtfertigt ist, wird Ihr Fall von einem zweiten Gutachter geprüft. Es erfolgt eine erneute Begutachtung vor Ort.2
War Ihr Widerspruch nicht erfolgreich, bleibt Ihnen noch der Weg, vor dem Sozialgericht zu klagen.
Klage vor dem Sozialgericht
Nach einem wiederholten Ablehnungsbescheid haben Sie gemäß §87 SGG ebenfalls einem Monat Zeit, um eine Klage vor dem Sozialgericht einzureichen.3 Wenden Sie sich diesbezüglich an einen Fachanwalt. Übersteigen Ihre finanziellen Möglichkeiten das Beschreiten des gerichtlichen Weges, kann Prozesskostenhilfe beantragt werden. Den Antrag finden Sie hier. Möchten Sie sich erst einmal nur anwaltlich beraten lassen, können Sie zunächst Beratungskostenhilfe beantragen. Den Antrag finden Sie hier.
Quellen:
1Sozialgesetzbuch (SGB) – Elftes Buch (XI) (§18) – Soziale Pflegeversicherung-Artikel 1 des Gesetzes vom 26.05.1994 (BGBl. I S. 1014), zuletzt geändert durch
Gesetz vom 16.07.2015 (BGBl. I S. 1211) m.W.v. 01.01.2015 bzw. 23.07.2015.
2Medizinischer Dienst des Spitzenverbandes Bund u. GKV-Spitzenverband [Hrsg.] (2009): Richtlinien des GKV-Spitzenverbandes zur Begutachtung von Pflegebedürftigkeit nach dem XI. Buch des Sozialgesetzbuches. Berlin, Essen.
3Sozialgerichtsgesetz (§87) in der Fassung der Bekanntmachung vom 23.09.1975 (BGBl. I S. 2535), zuletzt geändert durch Gesetz vom 15.04.2015 (BGBl. I S. 583) m.W.v. 22.04.2015.
H. B. meint
Die Widerspruchsfrist und die Klagefrist betragen *1 Monat* und nicht 4 Wochen.
Das kann u. U. entscheidend sein.
Peggy Zimmermann meint
Vielen Dank für den Hinweis, da haben Sie natürlich recht. Ich habe die Formulierungen entsprechend geändert.